Referentin: Renate Walter aus Walheim bei Besigheim
Frau Walter hat einige Puppen als Anschauungsmaterial dabei und verschiedene Hüte für ein Spiel. Frau Walter berichtet über die Biographie von Käthe Kruse, die sie sich aus Büchern zusammengeschrieben hat. Zum besseren Verständnis hat sie auch das Leben der Mutter von Käthe aufgeführt. Rückblick auf die Mutter von Käthe: Sie hieß Christiane Simon und lebte von 1856 bis 1906 (stirbt an TB) Christiane war ein Kind von 17 Kindern und ist auf einem Bauernhof in Breslau aufgewachsen. Sie arbeitete zuerst als Hausbotin, was eine ganz niedere Stufe der Arbeit bedeutete, so konnte sie auch nur in einem kleinen Zimmer leben. In der Zeit haben die Frauen gearbeitet und da Christiane das Nähen von der Hand ging, wurde sie Näherin. Sie hatte ein gutes Auge für Schönheit / Ästhetik. Robert Rogate (1849-1898) versuchte sein Glück bei Christiane, obwohl er verheiratet war. Nach 5 Jahren wurde Christiane schwanger, eine Abtreibung gelang nicht. Robert wollte, dass sie das Kind nach der Entbindung in eine Pflegefamilie geben sollte, jedoch holte Christiane ihr Kind wieder zu sich zurück.
Katharina Simon hieß die Tochter: 1883 – 1968 (gestorben in Murnau) Robert pflegte keine Beziehung zu seinem Kind. Zum Spielen gab es nur Faden und Stoff. Die Mutter gab ihr keine Liebe, sie hatte keine Zeit. In der Schule war Katharina fleißig und hatte großes Interesse an der Literatur. Dies wurde von Lehrern und ihrer Tante Paula gefördert. Nach der Schule wollte sie Schauspielerin werden, was der Mutter nicht recht war. Mit 17 Jahren wird sie dann doch Schauspielerin und nennt sich „Hedda Sonin“. Sie wird zu einer sehr gefragten Schauspielerin, spielt auf großen Bühnen, ihre Mutter näht ihr wunderschöne Kleider. Das Leben verläuft nach Wunsch und sie bewegt sich jetzt in einer ganz anderen Gesellschaftsschicht.
Dann lernt Katharina Max Kruse kennen: 1854 – 1942 Er ist ein Künstler, Bildhauer und Bühnenbildner. Seine erste Frau hat sich von ihm scheiden lassen. Der Altersunterschied zwischen den beiden ist groß (fast 30 Jahre) Sie leben eine freie Liebe, keine Ehe. Das war gesellschaftlich in Ordnung, man durfte eine Geliebte haben, da damals Ehen einfach wegen Geld und Stand geschlossen wurden. Da Max nicht möchte, dass sie Schauspielerin ist und schöne Kleider trägt, gibt sie dies alles auf. 1902 bekommt sie mit 19 Jahren ihr erstes Kind Marie, danach Sophie. Zur Entbindung wird sie von Max ins Tessin geschickt, da zwei Kinder nun doch als Geliebte zu viel waren. Dort lebte sie unter reformtüchtigen Leuten. Als das 2. Baby da ist, wünscht sich Marie eine Puppe. In Berlin fand Max keine schöne Puppe, so stellt Katharina sie selbst her. In der Zeit gab es nur zerbrechliche Puppen. Sie waren nicht zum Spielen gedacht, da die Kinder musisch oder mit Handarbeiten groß werden sollten. Es war kein Platz für mütterliche Gefühle. Katharina wollte, dass die Kinder die Puppen umsorgen können, dass sie Liebe und Emotionen entwickeln für eine spätere Mutterliebe.
5 Jahre lebten Katharina und Max mit Briefverkehr und Besuchen, dann kam das 3. Kind Johannes auf die Welt. Jetzt wollte Max heiraten (sie nicht). So wurde sie Käthe Kruse: Sie lebten in Wien, München, Berlin 1909 wurde sie mit Hanna schwanger. Die Kinder inspirieren sie zu immer neuen Puppen. Max kreiert Puppenköpfe aus Wachsabdrücken. Jetzt braucht sie viele Frauen, die beim Nähen helfen. 1911 kommt das nächste Kind. Sie lebt in Berlin und lernt dort auch das Malen. Im ersten Kaufhaus in Berlin drapierte Käthe Kruse eine wunderschöne Puppenausstellung. Die Leute waren begeistert und sie bekam Preise dafür. Ein Amerikaner bestellt 150 Puppen, danach nochmals 500 Stück. Käthe muss ihren Betrieb ausbauen. In Bad Köhsen entsteht ein neuer Betrieb. Sie stellt viele Leute ein, darunter Näherinnen und Augenmaler. Die Puppen werden mit Rehhaar ausgestopft. Alles wird von Hand genäht. So eine Puppe war eine große Anschaffung, sie war damals schon teuer. Und etwas Besonderes. Käthe arbeitet gefühlt 24 Std., 7 Tage die Woche. Sie reist viel, hält viele Vorträge und kämpft für ihr Patent. Die Käthe Kruse Puppen durfte niemand nachmachen. Sie erhält Preise auf Weltausstellungen. In der Gesellschaft ist sie mit ihrem Erfolg angekommen. Sie war durch und durch eine Geschäftsfrau, aber eine menschliche Chefin. Ihre Kinder durften auch nicht so modern gekleidet sein. Sie lebt nach wie vor in einer Fernbeziehung. Ihren Mann nannte sie und die Kinder „Herzlieb“ auch ihre Puppen erhielten außergewöhnliche Namen.
Ihr Mann verbringt viel Zeit in Hiddensee und im Winter in Rom. Er verbraucht Käthes Geld. Die Kinder werden im Betrieb eingesetzt. Marie wird die Pflegerin ihres Vaters, später ihrer Mutter. Manche machen Chauffeur für die Mutter oder Fotografien für Kataloge, Schaufensterpuppen usw. Die Kinder haben kein gutes Verhältnis zur Mutter. Sie hat ihre Kinder fürs Geschäft ausgenutzt. Trotz guter Bildung durften sie nichts aus sich machen. Sie wurden von der Köchin erzogen. Käthe wollte immer ein kleines Kind. Ihr letztes Kind bekam sie mit 38 Jahren. Mit 42 Jahren kam es dann zur Trennung von ihrem Mann, da dieser kein Kind mehr wollte. Da ihr Mann mit ihr prozessiert und 10000Mark, kommt es zum Bruch. Sie muss ihm das Geld geben. Dann trug sie wieder schöne Kleider und die Haare neu. Sie hatte auch einen Liebhaber. 1942 stirbt Max Kruse im Alter von 86 Jahren. Maria sorgte für ihn, danach ist sie für ihre Mutter da. Mit 70 Jahren wurde sie nochmals von einem Mann umworben (Schildkrötpuppen). Sie hat es Geschäft, ihre Firma auch im Krieg über Wasser zu halten. Hat gewusst, an welchen Stellen sie Geld bekommen konnte. Ihre Arbeiterinnen und Arbeiter haben immer zu ihr gehalten und sie zu ihnen. Durch die russische Besatzungszone war kein Geschäft mehr möglich, deshalb verlagerte sie die Produktion. In dieser Zeit wurden andere Puppenfirmen auch groß, sie stellten Massenware her. Käthe Kruse Puppen werden nach wie vor hergestellt. Frau Walter zeigte uns noch die Puppen, die sie mitgebracht hatte. Zwischen ihrem Vortrag verteilte sie immer wieder Hüte, die zu einer bestimmten Person passten (Mutter, Geliebte, Geschäftsfrau………)